Schon in den ersten Tagen meines jetzt schon zweiten Aufenthaltes als Senior Expert in der Physiotherapie im URRC im Februar 2024, fiel mir ein Jugendlicher mit extremen Fehlstellungen beider Füße auf. Omar ist 18 Jahre alt.

Omar hat ein gewinnendes Lächeln, er schien immer gut drauf und war jederzeit Teil der Klassengemeinschaft und das trotz mehrerer Einschränkungen. Da war zum einen die sehr deutliche Sprechstörung, d.h. es war schwer ihn auf Anhieb richtig zu verstehen. Zum anderen waren da die gruseligen Fehlstellungen beider Füße. Omar konnte zwar gehalten stehen und mit Hilfe auch Schritte machen, doch dabei waren beide Füße maximal nach außen gekippt, so dass sein ganzes Körpergewicht auf den Fußinnenkanten lastete. Dies war die Folge einer dyskinetischen Bewegungsstörung, die er aller Wahrscheinlich nach von Geburt an hat.

Als Physiotherapeut war dieser Zustand für mich unerträglich. Ich sah sein Potential als Läufer, seine Motivation und bei der klinischen Untersuchung zeigte sich auch, dass sich die Fehlstellungen der Fußgelenke passiv korrigieren ließen. In meiner Klinik zu Hause ein klarer Fall für eine Orthesenversorgung, um die Fußgelenke in einer guten Stellung zu korrigieren und dann dem Patienten eine möglichst achsengerechte Belastung auf den Füßen zu ermöglichen.

Zu meiner großen Freude besitzt das URRC eine orthopädische Werkstatt mit dem Kollegen Nanyaro als Orthopädietechniker. Er ist ein ausgewiesener Experte in der Klumpfußbehandlung und daher geübt im Anlegen von Gipsabdrücken. Ihn konnte ich mit ins Boot holen, zusammen mit meinem Kollegen in der Physiotherapie Sifael Tango.

So machten wir uns ans Werk, zunächst für den schlechteren rechten Fuß einen Gipsabdruck als Negativ für die spätere Orthese abzunehmen. Wir wussten, dass dies bei der massiven Korrektur viele Risiken von möglichen Druckstellen mit sich bringen würde. Denn nur wenn Omar die Orthese schmerzfrei tragen kann, ist sie ein Gewinn für ihn.

Die Herstellung erfordert mehrere Arbeitsschritte und damit auch Zeit, und für den Techniker Nanyaro war dies eine echte Herausforderung, zumal er mir berichtete, dass ein vorausgegangener Versuch scheiterte. Eine erste Anprobe konnte ich dann noch während meiner Zeit im URRC begleiten, wir diskutierten dabei über die endgültige Fassung der Orthese.

Am Ende musste noch ein passender Schuh für Omar gefunden werden, damit die Orthese auch reinpasst und er damit stehen und gehen kann.

Hier bin ich Sifael Tango für sein großes Engagement dankbar, der schlussendlich einen passenden Schuh besorgen konnte.

So kam es dann, dass ich längst wieder zu Hause angekommen war, als die frohe Nachricht über die Fertigstellung der Orthese mit passendem Schuh mich erreichte. Doch am wichtigsten ist natürlich, dass Omar nun selbstständig am Rollator über das Gelände des URRC gehen kann, und seine Freude und Dankbarkeit über die neuen Möglichkeiten des Gehens unübersehbar sind.

Auch für mich eine riesige Freude, wenn ich Omar nun vor meinem inneren Auge in der Morgenandacht sehe, wie er beim Singen im Chor aufsteht, nun auf stabilem Fundament und mit noch größerer Inbrunst im Kreise seiner Mitschüler seine Stimme im Chorgesang erhebt.

 

 

von Stefan Daub, Leitender Physiotherapie am Hegau-Jugendwerk in Gailingen und Senior Expert am URRC

stefan daub

 

 

 

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